13. Juni 2012

Botanicula

Sodala, es folgt auch schon kurz und bündig mein zweiter Flower Power-Artikel. Der heutige Star ist: Botanicula! Dieser Titel ist noch recht jung und viele von euch werden mit ihm wohl nicht so viel anfangen können. Aber vielleicht sagt euch das tschechische Entwicklerstudio Amanita Design ein bisschen mehr! Nein, auch nicht? Schade, denn das Team um Jakub Dvorský (den Namen braucht ihr euch nicht zu merken) herum ist unter anderem verantwortlich für die experimentellen Point and Click Spiele Samorost 1 & 2 und das Point and Click Adventure Machinarium, welches durchaus ansehnlichen Erfolg genoss. Spätestens bei Zweiterem sollte ich bei euch nicht mehr auf taube Ohren stoßen. Botanicula kann man sogar als inoffiziellen Nachfolger zu Samorost betrachten, da die Tiefe der Rätsel und das Design der beiden Titel sich doch recht ähnlich sind und doch eine etwas größere Kluft zwischen Botanicula und Machinarium herrscht.





Die Geschichte ist, im Vergleich zu anderen Spielen, recht einfallsreich. Ihr habt die Kontrolle über eine kleine Gruppe von Baumbewohnern. Eine Nuss, einen kleinen Ast, ein Flieg-Dingsi, einen Pilz und ein Irgendetwas. Letzteres kann ich leider nicht definieren. Alle leben sie glücklich und zufrieden auf ihrem Baum zusammen. Eines Tages tauchen aber seltsame, vierbeinige, schwarze, spinnenartige Wesen auf, welche dem Baum seine Lebensessenz aussaugen und ihn so quasi an den Rand des Todes bringen. Ein kleiner Samen des Baumes kann jedoch flüchten und landet unserer Nuss auf dem Kopf. Durch eine dadurch ausgelöste Vision, sieht es die Nuss nun als ihre Aufgabe, jenen Samen sicher zum Boden zu bringen, damit dieser dort zu einem neuen Baum und dementsprechend auch zu einem neuen Lebensraum für viele verschiedene Arten von Pflanzen und Lebewesen gedeihen kann. Da sie alleine aber nicht an den schwarzen Spinnenviechern vorbeikommt, sucht unsere Nuss sich ein paar Verbündete. Schließlich hat ja jeder ein Interesse daran, den Baum zu retten.

Direkte Kontrolle über die Party habt ihr aber nicht, sondern ihr klickt euch Point and Click-typisch stets von einem Bildschirm zum nächsten durch. Während ihr nun einen sicheren Weg abwärts sucht, könnt ihr auch mit anderen Lebewesen und herumliegenden Gegenständen interagieren. Manchmal bringt euch das die Lösung eines Rätsel und damit einhergehend einen Spielfortschritt, manchmal bekommt ihr aber nur eine nett gestaltete, kleine Animation zu sehen. Diese geben euch auch ein bisschen mehr Aufschluss über die Vergangenheit des Baumes. Amanita Design lehnt strikt jeden Verbalisierungsnakt ab und verdeutlicht die Gedanken der Protagonisten und auch die der restlichen Charaktere innerhalb des Spieles, indem Bilder in Sprechblasen gezeigt werden. Dies trägt immens viel zu der akustischen Kulisse des Titels bei und verleiht Botanicula eine ganz eigene Stimmung. Wahrscheinlich ist auch das der Grund, warum es bei dem letzten Independent Games Festival in der Kategorie "Excellence in Audio" gewann.
In die Grafik kann man sich ebenfalls verlieben, wurde sie im Gegensatz zu Samorost und Machinarium kräftig aufpoliert und mit einem Blur- bzw. Verwisch-Effekt fast schon überschwemmt. 


Hier gilt es diese lustig aussehenden Baumbewohner zum Singen
zu bringen. Links in der Mitte unsere tapfere Gemeinschaft.


Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist leider nicht sonderlich überragend. Meistens reicht es, wenn ihr alles am Bildschirm kurz absucht, da es ohnehin nicht viele Interaktionsmöglichkeiten mit der Umwelt gibt. Auch sollte man meinen, eine fünfköpfige Truppe bietet eine ausgezeichnete Basis für zahlreiche Tüffteleinlagen. Diese Chance wurde ebenfalls nicht genutzt. Abgesehen vom letzten Akt, steuert man die gesamte Truppe nämlich als eine Einheit und kann ihnen keine spezifischen Kommandos zukommen lassen. Sollte mal wirklich eine Situation eintreten, in welcher ihr euch für einen eurer Protagonisten entscheiden müsst und ihr den falschen auswählen solltet, bekommt ihr lediglich eine meist humoristisch designte Animation und die darauffolgende Neuwahl serviert. Die Spieldauer von durchschnittlich fünf Stunden kann sich ebenso nicht wirklich sehen lassen, obwohl sie um einiges länger ist als jene von Samorost.

Generell wurde dieser groteske, futuristische und sehr bizarre Flair aus den beiden "Vorgängern" entfernt und durch eine irdischere Atmosphäre ersetzt. Leute, welche die beiden anderen Titel gespielt haben, werden wohl wissen, was ich meine. Man kann sich so viel besser mit dem, was man zu sehen bekommt, identifizieren, da man dieses Tier oder diese Pflanze vielleicht sogar schon mal in Natura gesehen hat. Botanicula sprüht förmlich vor Charme, man kann es fast schon als süß bezeichnen, und es kommt nicht auf das Erreichen eines Zieles an, sondern vielmehr darum, ein Abenteuer zu erleben. Die Tschechen verstehen es durchaus, den Spieler für ein paar Stunden in eine andere, kleine Welt abtauchen und die Geschichte jemand anderes erleben zu lassen, sei es nun eine Nuss, ein Roboter oder ein durch das Weltall reisendes Sandmännchen. Dennoch ist das Bestreben von ihnen offensichtlich, denn mit Machinarium wurde uns ein zum Nachdenken anregendes Rätselspiel geboten, hier aber nicht. Dies führt mich zu dem Schluss, dass Amanita Design einen Schritt weg von Experimentalismus und in Richtung Kommerzialisierung getätigt hat, da ihr neuester Titel in mir immens das Gefühl hinterlässt, für eine andere Zielgruppe, nämlich die der Gelegenheitsspieler, bestimmt zu sein. Nichtsdestotrotz kann man mit einem Kauf von Botanicula nicht wirklich viel falsch machen und bekommt für den durchaus niedrigen Preis eine nette Geschichte verpackt in ein sehr liebevoll entwickeltes Spiel erzählt.

santi

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