17. November 2014

Interstellar

Witzig. Durch mehrere Schicksalsschläge im eigenen Leben mental gelähmt, weiß man nichts mit sich selbst anzufangen, und zur Selbsttherapie versucht man nach einer gefühlten Ewigkeit sich wieder an alten Hobbys (wie zum Beispiel Blog schreiben) zu orientieren ...und dann fällt einem einfach kein gescheiter Inhalt für den Anfang eines endlich mal wieder verfassten Artikels ein. Awkward nennt man sowas. Eine Metapher muss her! Genau, ein passendes Bild, welches als Übergang unmissverständlich funktioniert und durch seine Absurdität genügend Sympathie und Schmunzeln in den Lesern erzeugt, sodass sie den Autor für dessen Gebrauch nicht sofort verurteilen und hängen. Also schwafel ich mal nicht weiter um den heißen Brei herum, sondern springe einfach mal direkt ins kalte Wasser. Das macht ja schließlich mehr Spaß als langsam immer nur eine weitere Stufe hinein in den lauwarmen Swimming Pool zu steigen. Wie macht man das am besten? Richtig: mit einer Wasserbombe! Darum soll sich mein erster Artikel metaphorisch passend um einen aktuellen Kinofilm drehen, der länger angekündigt war, aber dann doch relativ schnell fertiggestellt wurde, einen Sprung wagte, und schlussendlich bei Kritikern sowie normalen Kinogängern ebenso einschlug wie eine Bombe.




Wir befinden uns auf einer desolaten Erde in relativ naher Zukunft. Die Menschheit ignorierte jahrelang ihren Einfluss auf die Umwelt; Ressourcen wurden abgetragen und exzessiv verbraucht. Trockenheit und täglich wütende Sandstürme gehören mittlerweile zum Alltag. Viele Nahrungsmittelquellen sind versiegt. Fleisch gehört lange schon auf die Liste der knapp gewordenen Luxuswaren. So muss ein Großteil der Menschen mehr oder weniger bereitwillig die eigenen Jobs aufgeben und fast schon sozialistisch als Farmer und Bauern zusammenarbeiten, um die paar Getreidesorten, die überhaupt noch existieren können, anzubauen und so das Überleben der gesamten Spezies zu sichern. Durch diese lebensfeindlichen Umstände wird jede finanzielle Investition der Regierung außerhalb des Nahrungsmittelsektors scharf beobachtet und kritisch von der Öffentlichkeit aufgenommen. So kommt es zu einem starken Interessensrückgang in Wissenschaften und die NASA ist zu einem Überbleibsel ihres alten Selbst degeneriert. Doch genau eben diese prophezeit, dass sich allmählich das Ende unserer früher noch so bewohnbaren Welt nähert. Im Geheimen wird nun sie finanziert, um das Weltall zu erkunden, andere Planeten zu entdecken und die Existenz der Menscheit auf einer neuen Erde zu gewährleisten. Nur es fehlt überall an geschultem Personal, da bereits viele Schulen in ihrer Affinität wissenschaftliche Erkenntnisse weiterzuverbreiten, damit ja alle Kinder Farmer werden, einfach keine neuen Fachspezialisten mehr hervorbringen. Hier kommt Cooper ins Spiel. Cooper (gespielt von Matthew McConaughey) ist ein Ex-Pilot der NASA, welcher zu jenen Leuten gehört, die die Arbeit an den Haken hingen und Maisfarmer wurden. Gemeinsam mit seiner Tochter Murphy findet er über das Vorhaben, andere Planeten zu kolonisieren, heraus und entschließt sich, eines der Raumschiffe zu fliegen. Sehr zum Missfallen seiner Tochter. Denn die Distanzen, welche bei dieser Reise überbrückt werden müssen, würden bedeuten, dass Cooper über Jahre hinweg im All umherreist. Was jedoch für ihn in seinem Raumschiff nur 3-4 Jahre sind, könnten auf der Erde Jahrzehnte darstellen. Und die Reise an sich birgt weitere ungewisse Risiken...

Womit wir bei den emotionalen Dilemmata der Charaktere und generell dem Drehbuch angekommen wären. Wie ihr merkt, ist die Geschichte gespickt mit Aufbau und Details. Die Charaktere müssen etabliert werden; die Beziehungen müssen mit Emotionen angereichert werden; die Umwelt der Erde, die neuen Planeten, die Umstände der Reise, die wissenschaftlichen Aspekte müssen erläutert werden; all das beansprucht enorm viel Zeit. Christopher Nolan schafft es zwar, dass der Film trotz seiner doch bemerkenswerten Länge von über (ja, über!) 2 1/2 Stunden nie langweilig wird, aber dennoch braucht man sehr viel Sitzfleisch und hoffentlich einen Kinosessel, der einem keine Hintern- oder Nackenschmerzen beschert. Denn oben lest ihr nämlich nur die grobe Hintergrundgeschichte, welche vielleicht die erste halbe Stunde des Filmes ausmacht. Die Begebenheiten, wie Murphy und Cooper das Vorhaben entdeckt haben, wurde an dieser Stelle von mir gar nicht erst erwähnt. Dafür könnt ihr aber einen der talentiertesten Filmemacher unserer Zeit dabei beobachten, wie er jedem Charakter eine eigene Persönlichkeit zu verleihen weiß. Sei es nun die Vater-Tochter-Beziehung oder die moralischen Abgründe und Ängste der anderen Astronauten. Hier wird Nolan von einem namenhaften Cast unterstützt, der ziemlich teuer gewesen sein muss. Angeführt von den herausragenden Matthew McConaughey und Anne Hathaway ist jeder Schauspieler topbesetzt und motiviert. Außer der Kinderdarstellerin für die Tochter Murphy hat man wohl jeden Schauspieler schon irgenwo mal gesehen. Und selbst die spielt absurd überzeugend für eine so junge Schauspielerin! Normalerweise versagen Kinder in solchen präsenten Rollen eher häufig.




Wie ihr vorhin schon gelesen habt, sind auch wissenschaftliche Ideen ein großes Kernelement in Interstellar. Muss es ja auch sein, wenn man einen halbwegs glaubwürdigen Weltraumfilm in dieser finanziellen Größenordnung fabrizieren möchte. In der langen Laufzeit des Filmes nehmen die Erläuterungen zum Glück nie Überhand, aber die schiere Vielfalt könnte bei manchem Kopfzerbrechen auslösen. Hier also eine kleine Warnung, falls einen sowas überhaupt nicht interessiert. Es werden nämlich unter anderem Theorien behandelt wie: Was passiert in der Nähe eines schwarzen Loches? Wie funktionieren und sehen Wurmlöcher in dreidimensionalen Raum aus? Gibt es mehr als nur drei Dimensionen? Wie funktioniert Zeitdilatation? Einfluss von Gravitation auf Zeit? Generell sehr viel Relativitätstheorie. Lasst euch von meiner Warnung aber nicht vollkommen abschrecken! Der Film bietet in so vielen anderen Aspekten reichlich Tiefe und Unterhaltung, und wenn man dieses Blabla bei allzu großem Desinteresse ignorieren kann, kann man dem Film ebenfalls genug abgewinnen. Die Erklärungen wurden außerdem alle unter den wachsamen Augen von anerkannten Wissenschaftern und sogar Nobelpreisträgern in das Drehbuch integriert, sodass sie stets wissenschaftlich, kontextuell, und auch visuell Sinn machen, aber für Laien nicht zu kompliziert dargestellt werden bzw. nicht zu vereinnahmend sind. Christopher Nolan ist sich durchaus bewusst, dass dieser Teil des Filmes wohl nicht jeden begeistern wird, und übt sich aus meiner Sicht gekonnt an einer Gratwanderung zwischen Mainstream-Unterhaltung, wissenschaftlicher Genauigkeit, und Fantasie. Der gewaltigen Bild- und Soundkulisse tut es zumindest nichts ab.

Mankos gibt es aber leider überall. Nichts ist perfekt. Genauso Interstellar nicht. So zählen zu den Schwachstellen des Filmes eben unter anderem jenes Drehbuch, welches mit einem etwas zu .... nunja, sagen wir mal "freizügigen" Ende aufwartet, welches ein bisschen zu sehr auf die Schnulz- und Kitschdrüse drücken möchte. Hier nahm sich Nolan doch ein klein wenig zu viel erzählerischen Freiraum trotz aller entgegenstehenden Logik und Notwendigkeit, um das Ende in eine Richtung zu biegen, die ihm zusagt, da er noch einen Aha-Effekt einbauen wollte. Versteht mich bitte nicht falsch. Das Ende ist visuell und emotional großartig inszeniert und ich liebte es! Aber es wirkte zeitgleich so fehl am Platz. Neben dem Gedanken "Geil!" schwirrte in meinen Synapsen ständig parallel der Gedanke "Wirklich?! Wozu???" herum. Kurzum: trotz allen Bemühens kommt der Film über so manche Plotlücke nicht hinweg. Ein weiterer, aber recht schwacher Kritikpunkt ist der Soundtrack. Hans Zimmer versteht sein Handwerk und die Musik reißt einen mit, wird nie aufdringlich oder nervig, und hört sich epochal an. Nur ist sie nach einer Weile leicht repetitiv.




Dennoch, obwohl der Film zugegebenermaßen nicht perfekt ist, lese und höre ich von Filmkritikern teilweise viel zu harsche Reviews und negative Meinungen. Dieser Film ist in jeder erdenklichen Art bemerkenswert und verdient keine Scores von 6/10 Punkten, 3 von 5 Daumen, oder "watchable/serviceable". Generell sind diese Nummernspiele nicht sehr viel wert, da sie einfach zu brachial Filme oder Spiele oder was auch immer in Kategorien einzugliedern versuchen, und wie bei realen Konflikten muss jeder Konflikt eigen betrachtet werden. Lasst euch von schlechten Reviews nicht zu sehr beeinflussen, die Nolan als Regisseur oder gar das gesamte Drehbuch niedermachen, welches Schwachstellen aufweist, aber verzeihbare Schwachstellen. Wobei wir schon zum Artikelende gelangen.

Zusammengefasst ist Interstellar ein Schmaus für Augen und Ohren, und wartet mit einer Geschichte auf, die sich gewaschen hat. Der Film spielt mit wissenschaftlicher Präzision sowie auch hypothetischen Ideen herum. Übt sogar hier und da leichte Sozialkritik am menschlichen Umgang mit Natur und Wissenschaft. Primär zielt der Film auf jene ab, die mit dem Science Fiction Genre ein bisschen mehr als andere anfangen können, ist aber eben nicht nur ein klassischer Science Fiction Film im eigentlichen Sinn. Er nimmt euch auf eine atemberaubende Reise durch das Weltall mit und wenn man sich darauf einlässt, kann er euch auch emotional tief im Herz treffen. Nicht nur einmal kamen mir die Tränen. Interstellar ist ein Weltraumepos mit einer nur seicht definierten Zielgruppe. Egal ob man ein Familiendrama mit weltklasse Schauspielern; tolle Bilder von visuell beeidruckenden, fremden Welten; einen spannenden SciFi-Film, welcher seine Hausaufgaben gemacht hat, sehen will; oder einfach nur seinen philosophischen und wissenschaftlichen Horizont erweitern möchte. Unterhalten tut dieser Film im Kino wahrscheinlich jeden auf die ein oder andere Weise. Top-Erlebnis!

santi