11. Oktober 2011

Dinner Date

Welche Gedanken schießen euch durch den Kopf, wenn ihr auf euer Rendezvous wartet? Welche, wenn dieses zu spät kommen sollte? Welche, wenn dieses euch scheinbar gerade sitzen lasst? Bleibt ihr gelassen? Regt ihr euch auf? Wenn ja, über wen regt ihr euch auf? Greift ihr zu einer Flasche mit alkoholischem Inhalt, oder esst ihr euren Frust einfach herunter? Spielt ihr mit euren Händen, betrachtet ihr die Umgebung, oder starrt ihr gar permanent auf die Zeiger der Uhr?




Diese Fragen sind quasi die Grundlagen des Spieles Dinner Date (http://thestoutgames.com/:DinnerDate). Tatsächlich ist Dinner Date viel mehr ein Personenporträt als ein Videospiel, in ein bestimmtes Genre lässt es sich sowieso nicht richtig einordnen. Man übernimmt die Rolle des Unterbewusstseins von Julian Luxemburg, welcher gerade auf sein Date wartet. Währenddessen hört man ihm aus Ego-Perspektive zu, wie er seine Gedanken schweifen lässt. In monologischer Manier, philosophiert Julian nun über Liebe, Sex, Arbeit, Karriere, Freunde, et cetera, et cetera. Aktive Interaktionsmöglichkeiten, wie Fortbewegung zum Beispiel, oder die Beeinflussung der Gedanken, stehen euch nicht zur Verfügung. Ihr könnt lediglich bestimmen, wohin Julian schaut, ob er noch ein Stück Brot isst, sich zurücklehnt, oder einfach seine linke Hand betrachtet. Bei Letzterem musste ich doch tatsächlich an eine Szene aus den Simpsons denken. "Eigentlich sollte man als Unterbewusstsein doch mehr Einfluss auf eine Person haben, oder nicht?", dachte ich mir. Das Spiel will mich offensichtlich eines Besseren belehren.

Wie dem auch sei, ich habe mich trotzdem weiterhin auf den Titel eingelassen, bis mir eine immens große Schwäche am Gameplay auffiel. Nämlich, dass es gar kein Spiel ist. Nach zehn Minuten blödes Knöpfedrücken und mir die starre Umgebung anschauen, ist mir *ÜBERRASCHUNG* tatsächlich langweilig geworden und so habe ich die Tastatur guten Gewissens für ein paar Sekunden ruhen lassen. Und was sehen meine entsetzten Augen auf einmal? Ist mein Prozessor schlussendlich doch noch intelligent geworden und macht sich nun selbstständig? Angriff der Maschinen, Terminatorstyle? NEIN! Nach einer Weile übernimmt das ... "Spiel" ... nämlich selbst das Ruder in die Hand und wählt willkürlich die Auswahlmöglichkeiten der passiven Aktivitäten aus. So betrachtet man quasi die Hälfte des ... "Spiels" ... wie Julian mit seinem Gedankenkarussel immer mehr Runden dreht, ohne dabei irgendwelche handlungsrelevanten Dinge machen zu können. Eigentlich kann man Dinner Date auch als halb-interaktiven Kurzfilm anschauen bzw. vertreiben. Zynismus, sowie Sarkasmus, lassen sich mittlerweile nicht mehr überdecken und so sage ich mal, dass mir alles in allem das ... "Spiel" ... eher weniger gefallen hat.

 Spielansicht; die Kreise zeigen die Interaktionsmöglichkeiten an, 
welche mit Tastendruck ausgeführt werden.

Gut, Hetztirade beiseite. 
Die mit klassischen Instrumenten bespickte musikalische Hintergrunduntermalung ist sehr angenehm. Wobei im akkustischen Mittelpunkt wohl eher die Uhr steht. Man wartet auf sein Date, es kommt einem wie eine Ewigkeit vor, und mit einer kühlen, schon fast höhnischen Kontinuität, tickt die Uhr vor sich hin, und bohrt sich förmlich in den Kopf des Wartenden hinein. 
Die Grafik ist nun nicht gerade der modernste Hardwarekiller, aber um diese geht es ja auch gar nicht. Zentrales Element sind Julian und seine Gedanken. So schwankt er stets zwischen Selbstvertröstung, Wut, Selbstmitleid, Euphorie, Depression und Gleichgültigkeit hin und her. Die Figur mag zwar nur fiktiv sein, aber die Gedankengänge waren doch recht interessant zum Anhören, hat man nicht immer die Gelegenheit, einen Ausflug in den Kopf eines Anderen machen zu können. Den ein oder anderen von diesen Gedanken hatte sicher schon einmal jeder von uns. Julian ist nur eine von einem Autor niedergeschriebene Hauptfigur eines Computerspieles und hat eine mir sehr unsympathische Persönlichkeit, aber gut, tue ich einen Schritt zurück und betrachte das große, globale Gesamtbild. Nämlich, dass jeder Mensch verschieden ist, und jeder ein Anrecht auf seine eigenen Gedanken hat. Diesen Aspekt verzeihe ich dem Spiel.

Die Spielzeit beträgt gerade einmal 25 Minuten, und ich werde mir zwei verrostete Gabeln in meine Augen stechen, während ich in einem brennenden Hochofen ein Stahlbad nehme und einen Kilo Jalapenos dabei meinen Rachen herunterschlinge, sollte ich diese Worte jemals wieder verwenden müssen, denn ob ihr es glaubt oder nicht, die kurze Spieldauer ist Absicht und tatsächlich -- vollkommen -- angemessen.
Der psychologische Aspekt ist sehr ansprechend und zugleich ungewöhnlich für ein Videospiel, was ihm einen Pluspunkt einräumt, und ich bin sogar sehr offen für neue Ideen, Gameplay-Experimente, Indiegames und Mindfuck. Nur leider ist Dinner Date doch in Summe eher langweilig. Böse kann man dem Entwickler trotzdem irgendwie nicht sein, will er doch den Spieler einfach in die Gedankenwelt einer anderen Person einladen und nicht den nächsten Kassenhit an den Markt bringen. Wenn man weiß, was auf einen zukommt, kann man diesen Titel an- und wahrscheinlich auch gleich durckzocken. Aber man sollte vollkommen offen für den Stil sein und Tatenlosigkeit während dem Spielen in Kauf nehmen können.

santi

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