19. November 2012

Da-Reun Na-Ra-E-Suh

Die Viennale ist vorbei und ich habe reichlich nachzuschreiben, denn so viele Filme wurden gesehen. Ganze 2 an der Zahl... Fleißig war ich! xD Wie dem auch sei, diese gilt es zu reviewen, obwohl mir das bei "künstlerischen" Filmen schwerer fällt als bei den Blockbuster in den Multiplexxen. Oft komme ich mir nämlich vor, als sei ich einfach nur dumm und würde den tieferen Sinn eines solchen Filmes nicht verstehen. Besonders stark kommt dieses Gefühl auf, wenn alle im Kinosaal, nachdem die Credits fertig heruntergerollt sind, in tosendem Beifall applaudieren und ich einfach stumm in meinem Sessel sitze und mir denke "WTF? Also entweder habe ich 'was verpasst oder ihr seid einfach alle Mitläufer ohne Geschmack.". Bleibt halt die Frage offen, was wahrscheinlicher ist... 
Und wie konnte es anders kommen, dass bei Da-Reun Na-Ra-E-Suh (In another Country), eine südkoreanische Produktion mit einer französischen Hauptdarstellerin, eben genau dieses Muster wieder eintrat. Immerhin war ich dieses Mal nicht der Einzige, der sich dem Geklatsche und dem sozialen Druck am Ende des Filmes nicht unterwerfen wollte.




Die Geschichte beginnt in einem kleinen Strandort im abgeschiedeneren Teil Südkoreas. Die Kamera zeigt die Französin Anne, die scheinbar einen alten Jugendfreund besucht, welcher immer noch leichte Gefühle für sie hat. Um einen klaren Kopf zu bekommen erkundet sie die Stadt und versucht Smalltalk mit Leuten zu führen. Dies funktioniert nur sehr holprig, denn weder kann Anne Koreanisch, noch die Bewohner der Stadt Französisch. Nun sehen wir uns einen 1 1/2 Stunden langen Film an, in dem sich alle Menschen mit gebrochenem (in diesem Fall erbrochenem) Englisch unterhalten. Sounds like fun! Unter anderem lernt sie auch einen netten, Klischee-beladenen (er ist maskulin und scheinbar nicht ganz helle im Kopf) Rettungsschwimmer kennen. Dieser interpretiert ihren Smalltalk aber als Flirtversuche ihrerseits und macht am darauffolgenden Abend wiederrum Annäherungsversuche seinerseits. Die Charaktere sind alle sehr oberflächlich gezeichnet und man weiß eigentlich nicht genau, was sie denken und warum sie sich für gewisse Handlungsakte entscheiden. Wie es danach weitergeht, habe ich leider vergessen. Denn schon zu diesem Zeitpunkt schaltete mein Gehirn auf Leerlauf.

Es wurde aber abrupt aus seinem Wachkoma gerissen, da auf der Leinwand auf einmal ein jüngeres, koreanisches Mädchen zu sehen war, welches in ein Tagebuch hineinschrieb und mit einer Off-Stimme folgenden Text erzählte: "In der zweiten Episode sehen wir nun eine verheiratete Hausfrau, ...blablabla". Auf einmal sieht man die gleichen Leute auf der Leinwand, die sich mit den gleichen Namen gegenseitig ansprechen, jedoch, so scheint es, vollkommen andere Charaktere spielen und sich auch anders verhalten. "Okay", denkt sich mein Gehirn, ohne dem Wissen, dass es sich um andere Charaktere handelt. Denn auf dieses Faktum muss man selbst draufkommen, da es an keiner Stelle erklärt wird. "Also entweder die spielen jetzt andere Charaktere, die nur zufällig gleich heißen. Oder es handelt sich um ein Paralleluniversum. Auf der anderen Seite stand in den Filmrezessionen nichts von Science Fiction drinnen. Oder die Hauptcharaktere sind immer noch die gleichen, aber durch die Bank alle schlagartig schizophren geworden. Und falls es andere Charaktere sein sollen: spielen die zeitlich nacheinander oder sind es unabhängige Geschichten? Und wenn es voneinander unabhängige Geschichten sind, sind diese in der Welt dieses Films real oder auch einfach nur von diesem Gott-Mädchen erfunden?" Diese verheiratete Hausfrau mit dem Namen Anne, gespielt von der gleichen Französin (Isabelle Huppert), will anscheinend ein Abenteuer erleben und trifft sich in dem Strandort mit ihrem koreanischen Liebhaber gleichen Alters. Da dieser zu spät kommt, motiviert sie sich die Stadt zu erkunden. Stadt erkunden, das kennen wir doch von vorher! Ihr Liebhaber kommt sie endlich abholen und sie besuchen den Strand, wo Anne Smalltalk mit dem Rettungsschwimmer führt, was ihren Liebhaber sehr zur Eifersucht und dementsprechend zur Weißglut treibt. Smalltalk mit Rettungsschwimmer...das Muster hatten wir doch auch schon! Immer noch veranlasst mich nichts dazu, jedwede Sympathie für die Charaktere zu entwickeln, da sie einfach viel zu hohl sind. Zu Beginn dachte ich auch, der Film sei eine Anspielung auf Lola rennt! oder Krzysztof Kieślowski's Drei-Farben-Trilogie. Filme, in denen immer wieder der gleiche Handlungsstrang aufgegriffen wird, aber stets ein entscheidendes Detail an einer bestimmten Stelle verändert wurde, was die Handlungsstränge dazu veranlasst, vollkommen verschiedene Wege einzuschlagen. Vielleicht besteht ja noch Hoffnung für diesen hier...

Und BAM! Das südkoreanische Mädchen taucht wieder auf der Leinwand auf und schreibt wieder in ihrem Tagebuch. "In dieser dritten Geschichte...". "Oh Gott, der Scheiß beginnt NOCHMAL von vorne???" Fragend und verzweifelt blicke ich zu meinem Bruder hinüber, welcher sich bereiterklärte sich mit mir diesen Film anzusehen. Seine Seele wurde aber bereits verschlungen, denn nicht nur liegt sein Kopf nach hinten in seinem Nacken, auch Sabber rinnt ihm aus den Mundwinkeln. Vielleicht ist er auch einfach nur eingeschlafen, wecken wollte ich ihn trotzdem nicht. Denn seine Träume sind mit Sicherheit unterhaltsamer als dieser Streifen. Oh, wie ich ihn beneidete! Als guter Bruder hätte ich ihm den Speichel vielleicht abwischen sollen ...ich war anderweitig beschäftigt. Nämlich dem grandiosen Drehbuch zu folgen, welches anscheinend in zwei Tagen auf einer Toilette geschrieben wurde, weil der Autor dort mit einer Magendarmgrippe festsaß. In der dritten Episode besucht die Französin Anne Südkorea um über ihre Scheidung hinwegzukommen. Sie unternimmt einen Stadtrundgang (wie originell) und trifft unseren Rettungsschwimmer (noch origineller). Ganz ehrlich: ich habe vergessen wie der Film ausgeht.

Das einzig Gute an diesem Film sind, und jetzt kommt's, die koreanischen Schauspieler! Meine Fresse, jeder von denen verkörpert seine Rollen (so schlecht sie auch geschrieben sind) super und mit Ambition. Sie bemühen sich richtig, dass die Figuren plausibel und halbwegs realistisch auf das Publikum wirken. Mein Bruder versuchte zwar die Leistung von Isabelle Huppert zu verteidigen, aber meiner Meinung spielt sie alle ihre Figuren vollkommen überzeichnet. Wäre ich in der mentalen Lage gewesen zu lachen, hätte ich es auch getan. Und warum liebt dieser Regisseur es so sehr, die immer gleichen Kameraeinstellungen zu nehmen?

Soll der Film nun eine Anspielung auf die babylonische Sprachverwirrung sein und wie sehr Menschen aneinander vorbeireden können? Oder will er zeigen, dass soziale Normen (zum Beispiel: Flirtrituale) in anderen Kulturkreisen verschieden wahrgenommen werden? War der Film vielleicht nur als Experiment gedacht, die gleichen Menschen für verschiedene Rollen einzusetzen? Oder vielleicht nur eine Isabelle Huppert One-Woman-Show. Unabhängig von diesem unbekannten Entstehungsgedanken scheitert das Endresultat fast schon kläglich daran eine klare Botschaft zu vermitteln, und nach dem Verlassen des Kinosaals bleibt wenig Raum um sich über diesen Film konstruktiv zu unterhalten. Man versucht eher herauszufinden, was das alles zu bedeuten hatte und es in einen Zusammenhang zu bringen. Vielleicht war auch genau das das Ziel von Regisseur Hong Sang-soo, nämlich dass er seinem Film keine Botschaft verleihen wollte und der Zuseher sich am Ende selbst eine Interpretation zusammenreimen soll, kann oder muss. Scheinbar hat diese Absicht besser gefruchtet als ich es für möglich hielt während dem Kinobesuch. Denn nach der Vorstellung gab es den in meiner Einleitung besagten Applaus und ständig wurden über die gleichen Witze gelacht. Ich fand diese aufgesetzten Belustigungsversuche eher traurig und damit, so denke ich, bin ich nicht der Einzige, wenn man die 6er-Wertungen auf Metacritic und IMDB begutachtet. Vielleicht ist der Film ja eh besser als ich es mir selbst und mit diesem Artikel auch euch versuche einzureden, aber er hat mich persönlich, andere scheinbar nicht, einfach in so vielen Belangen gestört, verwirrt und gelangweilt...


santi

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