14. Mai 2013

Life of Pi

Erst 3 Artikel in 4 Monaten? Daran sollte dringend etwas geändert werden. Aber ich muss euch beichten, dass mir in letzter Zeit Schreiben sehr wenig Spaß gemacht hat. Es ist von einem Hobby über viele Monate hinweg neben meinem Studium fast schon zu einer zweiten Arbeit mutiert, welche ich mir selbst wie eine Pflicht auferlegt habe. Die Liste der noch zu schreibenden Reviews wird zusätzlich dazu ebenfalls immer länger und länger, und dementsprechend wird das Schreiben demotivierender, wenn ich diesen riesigen Entwurfhaufen betrachte. Je mehr man zu erledigen hat, desto weniger schafft man am Ende. Und auch die Attitüde, "Das mach ich dann halt morgen", schleicht sich hinterhältig ins Unterbewusstsein ein. Dieses Phänomen kennen sicher ein paar von euch, liebe Leser. Sogar einen "Sendeplan" habe ich mir für Februar und April erstellt, aber diesen ebenfalls undiszipliniert wieder verworfen. Mein Blog soll keine Arbeit für mich sein, sondern mir Spaß machen! Darum beschloss ich kurzerhand, einfach kleine Schritte zu tätigen, mir nicht zu viel vorzunehmen und wieder einen Artikel nach dem anderen zu schreiben, ohne mir jedes Mal denken zu müssen, "Oh Gott, ich muss schnell ein Review zu diesem Film schreiben, sonst läuft er am Ende nicht mehr in den Kinos!" Pustekuchen, sag ich euch! Mit dieser Einstellung ist jetzt hoffentlich Schluss! Genau aus diesem Grund habe ich den Film Life of Pi als Reboot-Artikel ausgewählt.

Namensgebend für den Film ist Pi (ausgesprochen wie das englische Wort für Kuchen, meint aber tatsächlich die mathematische Kreiszahl), ein Mann indischer Abstammung, welcher sich zu Beginn des Filmes in Montreal, Kanada in einem Interview mit einem Buchautor befindet. Diesen Autor können wir gerne Santi nennen, da er praktischerweise das gleiche Problem hat wie ich (und ich mich nicht mehr an seinen Namen erinnern kann): er leidet an einer massiven Schreibblockade. Über mehrere Ecken hinweg hat Santi erfahren, dass Pi eine atemberaubende, unglaubliche Geschichte zu erzählen hat, welche bis dato viele Menschen inspiriert und ihnen teilweise sogar den Glauben an Gott wiedergegeben hat, sobald Pi seine Geschichte fertigerzählt hat. So treffen sich Santi und Pi nun zum Essen und zum im Park spazieren Gehen, damit Pi mit seiner Geschichte vielleicht auch Santi wieder seine Inspiration zurückgeben kann.




Die Geschichte beginnt mit Pi's Kindheit und Jugend. Er wuchs in Indien auf, absolvierte die Schule, zoffte sich ab und an mit seinen Eltern, übte früh eine Faszination für die großen Religionen dieser Welt aus, verliebte sich zum ersten Mal. Eigentlich recht standard, aber er war glücklich mit seinem Leben. Um Geld zu verdienen, betrieb sein Vater einen Zoo. Da dieser sich nach vielen Jahren leider nicht mehr rentiert hat, beschloss sich sein Vater, mit der ganzen Familie samt Zoo in die Vereinigten Staaten von Amerika zu reisen. Dort sollte man die Tiere an die dortigen Tiergärten verkaufen und sich mit dem gewonnen Geld in Kanada ein neues Leben aufbauen. Die Schicksalsgötter hatten aber andere Pläne und entfesselten während der marinen Überfahrt einen Sturm, welcher das Schiff samt tierischer Ladung und den meisten Reisenden an Bord zum Kentern und kurz darauf zum Sinken brachte. Pi konnte sich während dieser Tragödie auf ein Rettungsboot retten, merkte aber früh, dass er auf diesem nicht alleine war. Am ersten Tag teilte er sein Vehikel noch mit einem Orang-Utan, einem Zebra, einer Hyäne und, zu diesem Zeitpunkt noch unwissenderweise, mit einem Tiger. Die Hyäne machte sich prompt auch schon über Zebra und Orang-Utan her, der Tiger schließlich über die Hyäne und die Reste der anderen beiden Tiere. Pi war von nun an gezwungen, auf einem selbstgebastelten Floß neben dem Rettungsboot herzutreiben, da dieses nun das Territorium des Tigers war.

Somit begann für Pi ein Kampf ums Überleben. Nicht nur musste er Hunger, Durst, Wellen, Stürmen, Einsamkeit und der Hitze der Sonne trotzen, sondern auch lernen, mit dem Tiger umzugehen. Leider liegt der Fokus des Filmes sehr auf dieser Mensch-wildes-Tier-Beziehung und es werden nur wenige wirkliche Momente gezeigt, in welchen Pi fischt, sich ein provisorisches Dach bastelt oder sonst was überlebensnotwendiges praktiziert. Der eigentliche Überlebenskampf gegen die Gewalten der Natur werden gezielt in den Hintergrund gerückt, was ich persönlich halt ein bisschen schade finde. Meine Enttäuschung fußte aber in der Erwartung, einen moderneren Robinson Crusoe zu sehen, und soll eigentlich kein negativer Kritikpunkt sein, da diese Interpretation von "Gefangen sein auf einem Rettungsboot mit einem Tiger" durchaus interessant sind. Life of Pi geht bewusst in eine andere, sehr "fantastische" und märchenhafte Richtung, was man immens an der in der Geschichte vermittelten Spiritualität und der Optik des Filmes erkennt. Beispiele hierfür reichen von menschenfressenden Inseln, über die in allen möglichen Farben des Regenbogens leuchtende Fauna und Flora des Meeres, bis hin zu Pi's Faszination von Religionen, die er quasi schon sammelt wie andere Leute Pokemon fangen. Und hier geht der Regisseur (ich habe die Buchvorlage nicht gelesen) einen sehr gewagten Schritt, da anscheinend in jeder Situation im Leben etwas philosophisches zu finden ist. Seien es nun Jesus, Jehova, Allah, Ganesh oder Buddha, einer von ihnen ist immer präsent und möchte den Menschen Botschaften zukommen lassen.

Wie zu Beginn schon erwähnt, will Pi mit seiner Geschichte Santi seinen Glauben an das Fantastische, vielleicht sogar an Gott zurückgeben. Pi erzählt weiter von seiner Rettung nach knapp 200 Tagen auf Hoher See und dem anschließenden Interview der japanischen Versicherungsgesellschaft, welche herauszufinden versucht, warum das Schiff untergegangen ist. Pi's Geschichte mit dem Tiger, der Hyäne, dem Zebra und den unzähligen märchenhaften, fast schon an reine Erfindung grenzenden Geschehnissen lassen die japanischen Versicherungsbeamten skeptisch werden und fragen Pi, ob sich seine ganze "Reise" wirklich so zugetragen hat, wie er sagt. (Es ist immens schwer über diesen Film objektiv zu reden, ohne etwas zu spoilern). Pi sah ein, dass diese Beamten ihm nicht glaubten, er wollte sie aber "glauben" machen lassen. Er präsentierte ihnen eine zweite, abgeänderte Version, in welcher er sich mit dem Schiffskoch, einem Matrosen und noch jemanden auf das Rettungsboot evakuieren konnte. Nach kurzer Zeit begannen die anderen aber, genau wie die Hyäne und der Tiger, aufeinander loszugehen. Sei dies nun durch Streit, durch Hunger oder durch mentalen Stress passiert. Pi wurde mit dieser Realität nicht fertig und erfand sich daher bewusst die Tiere herbei, um die Geschehnisse zu entmenschlichen. Auf die Frage, welche Variante der Geschichte nun besser gefiele, antworteten bis zu diesem Zeitpunkt alle von Pi's Zuhörern: die Beamten, Santi, seine Freunde, etc.; sie alle antworteten, dass ihnen die Tigervariante besser gefiele. Vielleicht weil die Brutalität des Menschen durch diese Interpretation zumindest erzählerisch getilgt wurde. Die Menschen entschieden sich bewusst für das Unglaubliche, das Fantastische, "und so ist es auch mit Gott", lautet Pi's finaler Satz in seiner Erzählung.


"*Rawr* Ich bin eine Mietze-Katze!"

Der Film ist im Gegensatz zu diesen spirituellen Ansätzen des Plots ironischerweise ein sehr technischer Film. Es wurde zum Beispiel fast nie unter freiem Himmel gedreht und wie bei Titanic damals wurde ein großer Pool gebaut. Alle Tiere sind überaus gelungene, trotzdem eindeutig erkennbare Kreationen von Computerprogrammen, und vieles mehr, von Wetter bis Requisiten (stellenweise sogar das Boot), sind Produkte der Spezialeffekte. Besonders die Visualisierung des Tigers wurde hochgelobt, gewann sogar einen Oscar und ja, es sieht alles unglaublich gut aus, aber trotzdem erkennt man ständig, dass es sich um Effekte handelt. Im Vergleich dazu Jurassic Park oder Iron Man, in denen die Dinosaurier oder die Kampfanzüge umwerfend realistisch aussahen. In einem Zeitalter, in welchem man schon fast lebensechte Animationen erzeugen kann, wirkt der Film leider sehr künstlich. Nichtsdestotrotz sieht der Film gut aus und macht ENDLICH wieder seit Avatar: Aufbruch nach Pandora intelligenten und gekonnten Gebrauch der 3D-Technologie. Zwar ist dieser absolut nicht notwendig gewesen, aber die ein oder andere Kameraeinstellung (Ach, das Schiffswrack *schwärm*) wird dadurch sehr bereichert. Genauso handhabt es sich mit der musikalischen Hintergrunduntermalung, welche die Szenerien immer passend, aber nicht aufdringlich begleiten. Für die besten Effekte und die beste Filmmusik hat der Film verdient den Oscar erhalten. Den Gewinn für die beste Kamera, hm, ja, es gibt schon schöne, einprägsame Einstellungen und manche von denen bleiben einem sicher in Erinnerung, aber dies kann man durchaus anfechten, da einfach so vieles aus dem Computer entspringt...

Hm, habe ich nun zu Gott wiedergefunden? Wohl kaum. Ist meine Kreativität oder meine Motivation zu neuem Leben erwacht? Wir können es nur hoffen. Will man sich Life of Pi ansehen, und ich will auf keinen Fall jemandem davon abraten, sollte man davor gefeit sein, dass es sich nicht um einen actiongeladenen Survival-Thriller handelt, sondern um einen in manchen Belangen langatmigen Film, der eine Reise, eine Selbstfindung, eine philosophische Idee, ein Märchen erzählen will. Dessen Umsetzung macht den Film zwar nicht zum besten des Jahres, aber zumindest zu einem sehr sehenswerten und, meines Erachtens, zu einem der besten 2012.

santi

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