26. September 2011

Syberia

Syberia ist ein Point and Click Adventure aus dem Jahre 2002 von Microïds, die auch für die Still Life-Serie bekannt sind. Das Spiel erzählt die Geschichte von Kate Walker, einer Notarin und Sachbewalterin, welche die Übernahme einer Spielzeugfabrik in Frankreich durch einen großen Konzern, abwickeln soll. Hierfür braucht sie lediglich nur noch die Unterschrift der Besitzerin der Fabrik. Leichter gesagt als getan, denn am Tag vor Kates Ankunft verstirbt diese nämlich und hinterlässt einen dubiosen Brief an die Anwältin, dessen Inhalt einen Erben der Fabrik angibt. Dieser muss natürlich aufgesucht und zur Unterschrift bewegt werden, woraufhin eine Reise quer über den eurasischen Kontinent beginnt...


Wie bereits erwähnt, ist Syberia ein Point and Click Adventure. Um einen Fortschritt im Spiel zu erreichen, muss man daher Rätsel lösen. Diese sind leicht anspruchsvoll, aber für jemanden, der schon viele Point and Clicks gespielt hat, nicht sonderlich schwer, dennoch durch das Setting durchaus unterhaltsam. Besonders kommt dieses schöne Detektivgefühl auf, was bei einigen anderen Vertretern des Genres nicht erreicht wird. Wodurch Syberia sehr besticht ist die einmalige Atmosphäre. Die passive Hintergrundmusik, welche ausschließlich mit klassischen Instrumenten aufgenommen wurde, die Ausarbeitung der Charaktere, die Schnitzeljagdhandlung, die fantastischen und märchenhaften Orte ... WAHNSINN! Wenn Wind weht, kommt es dem Spieler kalt vor. Wenn Vögel zwitschern oder Wasser plätschert, kommt dem Spieler die Umgebung auf einmal belebt, laut und natürlich vor. Wenn man die eigenen Fußschritte in einem Gang widerhallen hört, kommt man sich selber wie ein Störenfried der allgemeinen Ruhe vor. Die Autoren erschafften in Syberia, visuell wie auch akustisch, eine vollkommen neue Welt, welche zwar mit, und auch gleichzeitig in unserer modernen Zivilisation existiert, aber auch ein in sich geschlossenes Universum fasst, welches nach eigenen Regeln und Gesetzen spielt, und auch ein ganz eigenes Tempo besitzt. So ist niemand in dieser Welt gestresst, es gibt keine lauten Geräusche, keine grellen und übertrieben bunte Landschaften, und irgendwie auch keine Bedrohung. Die Welt in Syberia ist weder bösartig und schlecht, noch gut und vollkommen. Alles wirkt ruhig und gemütlich, fast schon meditativ.

Und hier kommt der Haken an der Sache: man muss eine Menge Portion Geduld mitbringen, ist nämlich jeder Dialog, egal wie lang er auch sei, synchronisiert. Jede, aber wirklich jede Person, hat einen vollkommen eigenen Charakter, und man möchte sich, ist man erstmals eingetaucht in das Spiel, am Liebsten stundenlang mit jeder Figur unterhalten. Spitze vertont! Auch die Spieldauer kann sich sehen lassen und man sollte auf jeden Fall eine Woche Spielzeit einplanen, vorausgesetzt man spielt jeden Abend für vier Stunden. Das Spiel ist sehr, sehr langatmig und mancherorts dachte ich "Was, es geht immer noch weiter?". Ein Aspekt, der das Spiel ein bisschen in die Länge zieht und mich stellenweise extrem entnervt hat, ist die Bewegungsmechanik der Hauptcharakterin. Sie geht immer nur. Streckt sich der Raum, in dem man sich gerade befindet, nun über mehr als zwei Bildschirmlängen, kann das zu einer ausdauerfordernden Geduldsprobe werden. Es gibt zwar die Möglichkeit, durch Doppelklick zu laufen, aber ein Sofort-Sprung (wie bei Ceville) in den nächsten Abschnitt täte es auch. Bleibt halt zu überlegen, ob so ein Sprung wiederrum nicht die Atmosphäre des Spieles zerstört.

Weite Landschaften im Hintergrund, aber keine Menschenseele oder Stadt zu sehen.
Herrlich friedlich...

Was mich ebenfalls sehr beeindruckt hat, ist die Funktion des Handys. Reisebedingt vom Alltag und von ihrer gewohnten Umgebung abgeschirmt, bekommt Kate alles was zu Hause geschieht, nur per Telefon von ihrer besten Freundin oder ihrer Mutter mit. Auch einen Beziehungskonflikt ist sie gezwungen an der drahtlosen Antenne zu führen. Dadurch erhält der Spieler einen sehr persönlichen und intimen Einblick in die Hauptfigur. Und genau wie Kate Walker, bekommt das der Spieler bewusst nicht immer sofort mit, wenn Kate jetzt eine andere Entscheidung mit einem anderen Ausgang getroffen hat, wie sie es zu Beginn des Spieles vielleicht noch nicht getan hätte. Hier wurde eine Spielecharakterin entworfen, welche sich fortlaufend entwickelt und schon während dem Spielen tatsächlich im Kopf des Spielers als Person mit einem Recht zur Existenz manifestiert. Nach Beendigung ist es natürlich wieder nur ein weiteres Spiel, das man durchgespielt hat. Aber während dem Spiel, ist es eine ganz eigene Realität, welche man hier erlebt.

Das offene Ende Syberias hat mir sehr viel Lust auf den zweiten Teil beschert und jeder, aber wirklich jeder, der Point and Click Spiele, Rätselspiele, atmosphärische Spiele, Spiele mit guter und ausgearbeiteter Handlung mag, sollte Syberia zumindest einmal gespielt haben! Punkt!

santi

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