16. Oktober 2011

The Graveyard

Wie ihr sicher schon bemerkt habt, neigt meine Tendenz des Zockens ein klein wenig in die Richtung von Spielen, die eher selten in der persönlichen Spielebibliothek landen. So bin ich unter anderem auch auf das Spiel "The Graveyard" gestoßen. Nachdem ich mir den Trailer angesehen habe und die Spielbeschreibung durchlas, dachte ich mir, "DAS soll alles sein?!". Also habe ich mir den Titel von Tale-of-Tales aus dem Jahre 2008 mal genauer angesehen.


In The Graveyard steuert man eine etwas in die Jahre gekommene Dame, deren Name nie erwähnt wird. Mit dieser besucht man nun einen Friedhof und erinnert sich an alte Bekannte, die bereits aus dem Leben dahingeschieden sind. Und danach geht man wieder nach Hause. "Wow, das ist ein bisschen wenig, oder?". Spiel installiert und gleich gestartet, lese ich mir die Instruktionen durch. Und da steht genau der selbe Blö...Inhalt drinnen. Erstaunlicher, interessanter UND schockierender Weise hat das Spiel tatsächlich meine geringen Aussichten bestätigt. Es besteht quasi aus nichts! Tale-of-Tales ist zwar dafür bekannt, sehr unkonventionelle Spiele zu entwickeln, aber mit The Graveyard sind sie schon fast provokant unterwegs. Alles was man tut, ist einen 50 Meter langen Weg entlanggehen, sich auf eine Bank zu setzen, ein Lied spielt ab, welches anscheinend die Geschichte und Bekanntschaften der werten Dame erzählt, steht auf, und geht den Weg wieder zurück. Aus. Schluss. Vorbei.

Das war wirklich das ganze Spiel, das mich satte 30 Minuten meines Lebens gekostet hat. Lasst euch davon aber nicht täuschen. Das eigentliche Spiel dauert nur fünf Minuten. Ihr, werte Leserinnen und Leser, müsst verstehen, dass meine Wenigkeit eine schier unendliche Geduld hat und natürlich, egal wie gering der Umfang auch sein mag, alles aus einem Spiel heraus holen will. So habe ich das Spiel in dieser halben Stunde tatsächlich 4-mal durchspielt. Ach, ich bin ja so ein Hardcorezocker. *auf die Schulter klopf* Während diesen vier Anläufen habe ich die Gegend erkundet und die Mechanik herausgefordert. Dabei ist mir eines klar geworden: die Spielbeschreibung hat mich angelogen! O.O In dieser heißt es nämlich "like an explorable painting". Gut, der Stillstand der gesamten Bildkulisse gleicht zwar einem Gemälde ("Hey, durch dieses Gemälde sind wir doch schon mal gelaufen!"), aber von erkundbar ist rein gar nichts zu spüren. Es gibt den Hauptpfad, an dessen Ende eine Bank vor einer Kirche steht. In die Seitengasse kann man nur einen Meter hinein weit gehen, dann stößt man auf eine unsichtbare Wand. Nicht zu erwähnen, dass die Kirche auch nicht betretbar ist.

Das Spiel teilt sich in folgende zwei Aspekte auf. 
Erstens, den Weg beschreiten:
Dieser Teil des Spieles soll Ruhe und gleichzeitig auch Einsamkeit vermitteln. Der Wind weht und man hört Vögel zwischern und Krähen krähen. Die farbliche Auswahl von Schwarz und Weiß erzeugt gleichzeitig auch eine Art Tristheit, die in der Luft hängt. Stilistisch eigentlich sehr interessant.
Zweitens, auf der Bank sitzen:
Hat man die werte Dame nun auf ihrem Weg begleitet, wobei man sich schon fast wie ein Pfadfinder vorkommt, der einer Dame über die grüne Ampel hilft, nimmt sie auf der langersehnten Bank Platz. Eine kurze Weile darauf startet skriptmäßig ein Lied. Wobei ich dies hier als Pluspunkt werte, ist das Lied eigens für das Spiel komponiert worden und sehr stimmig. In diesem Lied erfährt man nun unter anderem, wie diverse Freundschaften der Dame verstorben sind. Eine natürlich im Schlaf, ein Anderer durch Krebs. Der Inhalt des Liedes kombiniert mit der Leere, die das Spiel bietet, erfinden den Begriff Melancholie schon fast neu.

Sequenz, während das Lied abgespielt wird.

Und hier ist der große Haken an dem Spiel! Tale-of-Tales schreiben auf ihrer Homepage nämlich, dass sie keine normalen Spiele für normale Spieler entwickeln und vertreiben. Sie wollen lediglich Emotionen und Ideen vermitteln, die am Besten durch Bildersprache erzählt werden, als dass man sie in Worte fassen kann. Beziehungsweise, Spiele, die sehr kontrovers sind und eine innere Debatte in den Spielern erzeugen. Jedermann und Jedefrau, die ihre Spiele spielen, sollten sich im Vorhinein klar sein, dass die Spielemechanik weder actiongeladen ist, noch eine direkte Erzählstruktur vorweist. Genauso verhält es sich auch mit anderen Titeln, wie "The Path" und "Fatale". Und das machen sie eigentlich relativ gut, würde The Graveyard am Ende nicht durch unnötige Fehler, die bereits aufgebaute Atmosphäre zerstören.

Während meinen Spieledurchläufen habe ich nämlich ausprobiert, was geschieht, wenn man zu früh aufsteht. Das Lied verstummt langsam und man kann den Friedhof zu Fuß verlassen. Das Problem hierbei ist offensichtlich: hört man das Lied nicht zu Ende, geht leider etwas vom Feeling des Spieles verloren. Hier setze ich jetzt einen *SPOILERALARM* hin, aber ich bin mir sicher, keiner von euch wird das Spiel jemals wirklich seriös anspielen. Entscheidet man sich nun andersrum, einfach dazusitzen und dem Liedlein zu lauschen, verstirbt die Gute leider noch auf der Bank. Tale-of-Tales hat diesen Kontrast zwischen Leben und Tod ganz nett eingefangen, aber versiebt es dann durch einen dämlichen Programmierfehler. Lässt man also die Hauptfigur sterben, hört man noch, wie das Lied zu Ende geht und dann geschieht ... nichts mehr. Man sitzt da und bestaunt die virtuelle Leiche. Im Hauptmenü gibt es keinen Beendenknopf und im Spiel selber erscheint nicht einmal ein kleines Popup mit den Optionen "Quit" oder "Neustart". Die einzige Möglichkeit das Spiel noch zu beenden, ist, es per Taskmanager crashen zu lassen. Yeah, dadurch bleibt die Atmosphäre super erhalten!!! <.<

Nun gut, The Graveyard war eines der ersten Projekte von Tale-of-Tales, man darf ihnen kleine Ungereimtheiten durchaus verzeihen. Und die Länge des Spieles tut einem sicher nicht weh, es einmal anzuschauen. Wobei ich hier anmerken möchte, dass man sich genauso gut den Trailer oder die Demo zu Gemüte führen kann, weil es genau das selbe Resultat hat. Mein Standpunkt ist eigentlich, eher unabhängige Spieleentwickler, mit originellen Ideen, zu unterstützen, als große Konzerne, aber für dieses Spiel 4€ zu verlangen ist ein bisschen frech, meiner Meinung nach.

santi

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