22. Februar 2012

Dear Esther



Liebe Esther,

lange sinnierte ich darüber, wie ich diesen Text hier schreiben solle. Ich ging die dunklen Flure meiner Behausung unruhig auf und ab, wälzte mich in meinem Bett hin und her. Mich ließ der Gedanke einfach nicht los, meine Kreativität müsse sich nach so geraumer Zeit doch geschlagen geben. Ein innerer Wahnsinn befiel mich nach und nach, obwohl ich dir doch einfach nur einen Brief schreiben wollte. Meine Verzweiflung trieb mich sogar so weit, dass ich mein Haus verließ und überlange Spaziergänge machte. Bei Tag, sowie bei Nacht.

Meine Fußreisen führten mich schließlich auch auf eine einsame, verlassene Insel im Nordwesten Schottlands. Wie ich dorthin kam, fragst du? Das vermag ich dir leider nicht mehr beantworten zu können. Du musst nämlich verstehen, dass meine Gedanken mit einer Trunkenheit gefüllt waren. Einer Bestrebung etwas zu finden und eine Lücke in meinem Leben zu schließen. Zeitweise kam ich mir selber tatsächlich wie ein Detektiv vor, der in trüber Unwissenheit tapst. Meine Aufmerksamkeit war, bei Gott, nicht, wie ich dorthin kam!

Mein Kopf tauchte in die ruhige Atmosphäre der rustikalen Bauten und grünen Landschaften vollkommen ein. Man könnte schon fast sagen, er schwebte. Umso verständlicher erscheint es dir sicher, wenn ich dir mitteile, dass ich mir bei meiner Selbstfindung Zeit nahm und die schmalen Trampelpfade mit einer, für manche sicher nicht tolerierbaren, gelassenen Gemütlichkeit dahinschlenderte. Die Zeit schien hier wirklich stillzustehen. Wer war ich denn, der diese Stille und Friedlichkeit stören durfte? Nur dem Wind um meine Ohren war dies erlaubt.

Um mir einen Denkanstoß zum Schreiben zu geben, nahm ich auch alte Briefe an dich mit. Doch muss ich mir eingestehen, dass mich mein Gedächtnis im Stich ließ und ich mich dementsprechend nicht mehr erinnern konnte, ob die Texte die meinen waren oder von anderen Verfassern stammen. Auch schien es mir im Fortschritt meiner Inselerkundung, als würde ich einem Schatten nachlaufen, welcher stets auf mich herabsah. Werde ich jemals deine ganze Vergangenheit mit all ihren Geheimnissen lüften können? Immer, wenn sich vor mir eine Entscheidung darlegt, welchen Weg ich im Folgenden einschlagen sollte, kommt es mir, als ob ich ein Fragment deiner Geschichte verpasse. Als ob jede Route mir etwas anderes über dich preisgeben will und ich so niemals die ganze Wahrheit erfahren kann, vielleicht sogar nicht darf.

Nun komme ich langsam auch schon zum Ende meiner kleinen Schilderung. Sonderlich gut kenne ich dich immer noch nicht, liebe Esther. Doch hast du mir tatsächlich etwas anderes geschenkt. Ich las auf meinen Spaziergängen gespannt deine niedergeschriebene Geschichte und werde mich wohl noch länger darüber wundern. Auch halfst du mir, meine Inspiration wieder ein bisschen anzukurbeln, aber ohne mich dabei jemals unter Druck zu setzen.

Zum Abschluss meines Briefes möchte ich dich, liebe Esther, aber noch vorwarnen. Denn nicht jeder wird deine Geschichte mögen und so sympathisch finden wie ich. Zwar gibst du dir eine Menge Mühe, sie zu erzählen und fesselnd zu präsentieren, sodass man sich öfter mit dir treffen will, aber Geschmäcker sind verschieden und manche Geschichten kommen nun mal besser an als andere.

Viel Erflog für die Zukunft und auf ein baldiges Wiedersehen,
santi



Post scriputm: anbei noch ein paar Fotos, die ich während meiner Reise aufnahm. Hoffentlich gefallen sie!




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen