24. April 2012

And yet it moves

Normalerweise liegen mir solche Spiele wie Braid und The Misadventures of P.B.Winterbottom eher nicht. Aus diesem Grund nahm ich mir vor langer Zeit vor, keine solchen Mindfuck-Spiele mehr zu kaufen, da diesbezüglich meine Frustgrenze so niedrig ist, wie eine Limbostange hängt, und dementsprechend leicht überschritten wird. Da mir aber mein Bruder aus einem menschlichen Akt der Selbstlosigkeit genau eben so ein Spiel schenkte, wagte ich mich wieder an dieses Genre heran. Mal schaun, ob ich wieder einen Wutanfall bekam oder den folgenden Titel ausnahmweise genießen konnte...




And yet it moves (an das berühmte Zitat von Galileo Galilei angelehnt: "Und sie bewegt sich doch!") ist ein 2d-Jump and Run Spiel, in welchem es das Ziel ist, von A nach B zu laufen. Also von Startpunkt bis zur Ziellinie. Im Storymodus, welcher eigentlich keine wirkliche Story besitzt, bleibt dem Spieler unbegrenzt viel Zeit bzw. eine unbegrenzte Anzahl von Zügen, um dies zu bewerkstelligen. Freilich gibt es dann noch nach Beendigung des Spieles spezielle Herausforderungen, welche man unter schwierigeren Bedingungen bestehen muss. Anders als in den beiden oben genannten Spielen, Braid und The Misadventures of P.B.Winterbottom, obliegt dem Spieler hier als essentielles Werkzeug aber nicht die Manipulation von Zeit, sondern die Möglichkeit die Gravitation zu kontrollieren. Genau! Man kann die Welt um 90° in oder gegen den Uhrzeigersinn drehen und muss so das ersehnte Levelende erreichen. Fies nur, dass die veränderte Gravitation sich auch auf alle anderen beweglichen Objekte auswirkt und so auf einmal ein Stein von oben "Hallo, lange nicht mehr gesehen!" sagt, bevor er euch gnadenlos unter sich zerquetscht. Übrigens gibt es ein Achievement, in welchem die Aufgabe erfüllt werden muss, in einer einzigen Spielsession auf alle möglichen Arten, die das Spiel bietet, zu sterben. Und man wird oft sterben! Denn manchmal überlebt man die waghalsigsten Sprünge bzw. Fälle und an anderen Stellen reicht es schon, wenn man sich zehn Zentimeter im freien Fall befindet, um auf dem Boden zu zerschellen. Genauso handhabt es sich mit dem Levelrand. Die Level sind nämlich sehr linear und wie Schläuche konstruiert. Nur manchmal gibt es größere Areale. Diese haben aber auch immer nur einen expliziten Ein- und Ausgang. Hier reicht es gelegentlich schon, wenn der Spieler/die Spielerin sich nur mit einem Pixel der Spielfigur im "Aus" befindet, um in das schwarze Nichts gesogen zu werden, und manchmal kann man wiederrum mit dem ganzen Oberkörper drinnen stehen, bevor das Skript zum Sterben aktiviert wird. Das Gesamtkonzept scheint also sehr interessant designed zu sein, aber leider ist das fertige Endprodukt doch recht schlammpig von den Entwicklern programmiert worden. Nettes Faktum nebenbei: das Spiel war ursprünglich als eine Abschlussarbeit von ein paar Mediendesign-Studenten der Wiener Technischen Universität entworfen und wurde erst später als unabhängiges Spielprojekt ausgebaut und veröffentlicht. Ihnen sei also das unpräzise Trigger-System verziehen.

Wie oben bereits erwähnt, hat das Spiel keine wirkliche Story, über die ich jetzt berichten könnte. Man spielt einfach ein komisches Männchen und läuft mit diesem nach links und rechts. Schreibe ich halt über zwei andere Merkmale. 
Erstens: Der Grafikstil, welcher sofort ins Auge sticht, sobald das Spiel eingeschalten wurde. Denn alles, Spielwelt, Spielfigur und sogar die beweglichen Objekte, scheint zuerst gezeichnet bzw. fotografiert worden, diese Texturen dann ein bisschen bildbearbeitet und am Ende einfach wie ein Haufen Papierschnipsel zusammengeworfen worden zu sein. Wirklich alles sieht wie eine Papierwelt aus. Meiner Meinung zeigt And yet it moves eine sehr kreative und liebevoll gestaltete Optik.
Zweitens: Der Soundtrack. Dieser ist nämlich auch zum Großteil Selbstkreation. Und damit meine ich keine selbstgeschriebenen Lieder, sondern wirklich die Soundeffekte. Wenn Wind bläst, kommt kein Windgetöse, sondern man hört nur, wie jemand in ein Mikrofon "Wuuusch" hineingeflüstert bzw. geblasen hat. So ähnlich verhaltet es sich auch mit anderen Soundeffekten. Jedes Geräusch wurde gezielt und eigenhändig aufgenommen, ohne sich irgendwelchen, bereits existierenden Vorlagen zu bedienen. Natürlich, es hört sich zu Beginn ein bisschen befremdlich und außergewöhnlich an, aber dennoch ziehe ich meinen imaginären Hut vor den Entwicklern, wirklich ALLES selbst gemacht zu haben.

 Schafft ihr den Sprung...
(Links ist der schwarze Levelrand zu sehen)

...oder werdet ihr an der Wand zerschellen?
(Hier ist sehr gut zu sehen, dass auch die
Spielfigur aus vielen kleinen Papiereinzel-
teilen besteht)

Hat das Spiel in mir nun Frust erzeugt? Leider ja. Denn die Schwierigkeitskurve in diesem Spiel ist gar keine Kurve, sondern ein Zickzacklauf. Eigentlich könnte ich es genausogut Spießrutenlauf nennen. Ein Level ist nämlich kotzeinfach, der Zweite dann außerordentlich fordernd, der Dritte ist dann wieder eine Schlaftablette, und beim Vierten schlägt man seine Tastatur gegen eine Wand. Besonders die Bonuslevel triefen nur so von Bösartigkeit. Und da es in diesem Spiel nun mal auf eure Geschicklichkeit ankommt, helfen euch Let's Play- oder Walkthroughvideos auf Youtube, oder sonst wo, genau gar nichts. Den Titel hat man auch relativ schnell durchgespielt, da eben diese Rätselkomponente, so mindfucking das Spiel auch sein mag, einfach nicht vorhanden ist. Dies scheint den Entwicklern anscheinend durchaus bewusst gewesen zu sein, sonst hätten sie nicht die zusätzlichen Herausforderungen eingebaut.

Selber hätte ich mir diesen Titel nicht gekauft, aber, großen Bruder sei Dank *hug*, musste ich dies auch nicht tun. Ich finde, dass der aktuelle Preis von 9€ spieltechnisch ein bisschen zu hoch angelegt ist, aber in Anbetracht der Tatsache, dass alles aus eigener Hand gemacht wurde und das Design sehr eigenwillig und durchaus auch einzigartig ist und offensichtlich sehr viel Zeit hineingesteckt wurde, kann man das Geld dafür schon mal locker machen. Ich würde aber auf ein Angebot bei Steampowered.com, Indieroyale oder Humblebundle warten.

santi

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