25. Mai 2012

Atlas der abgelegenen Inseln

Videospiele, Kinofilme und Superhelden. Der Themenzylkus meines Blog ist eher wenig variantenreich und nach meinem Superheldenlauf werde ich meine nächsten paar Artikel etwas kürzer gestalten. Daher komme ich jetzt mal, um Monthy Python zu zitieren, zu etwas vollkommen anderem. Nämlich einem Buch! Und nicht irgendein Buch, sondern ein Atlas. Nicht nur irgendein Atlas, sondern ein Atlas über Inseln. Nicht nur irgendwelche Inseln, sondern es geht um die 50 entlegensten Inseln der Welt, "von welchen man wahrscheinlich noch nie hörte und auf denen man wohl auch nie in seinem Leben sein wird".




Was ist nun so besonders an dem Buch der Autorin Judith Schalansky, fragt ihr euch? Nun, first things first. Jeder der beschriebenen Inseln werden zwei ganze Seiten gewidmet. Auf der rechten Seite sieht man die Inseln aus der Vogelperspektive. Hierbei wird unten stets immer der gleiche Maßstab angegeben, sodass man sie leicht miteinander vergleichen kann. Auf der linken Seite stehen vorerst nur gewöhnliche Daten. Bewohner, genaue Lokation, Staatenzugehörgkeit und Größe in km². Gleich darunter findet man den zweitinteressantesten Aspekt des Buches, eine Längenangabe, wie weit die Insel sich von drei anderen Landmassen, seien es nun Kontinente oder andere kleine Inseln, weg befindet. Die Idee, solche Angaben überhaupt zu einzubauen, finde ich überaus kreativ und hilfreich, da man nun halbwegs abschätzen kann, wie vereinsamt die arme Insel dort aus dem Meer ragt. Leider sind diese drei Länder scheinbar vollkommen willkürlich von der Autorin selektiert worden, da die abgelegenen Eiländer oft näher zueinander liegen als zu den im Buch angegeben Ländereien. Dies zerstört nicht nur die geographisch stützende Hilfe für den Leser, sondern erzeugt unnötig weite Entfernungen, welche eigentlich eh niemanden interessieren. Warum macht man sowas? Die drei nähesten Ortschaften hätten doch ausgereicht.

Wie dem auch sei, unter dieser Angabe findet sich eine Zeitlinie. Auf dieser befinden sich die wichtigsten temporalen Daten der Insel, wie zum Beispiel Entdeckung, erste Betretung, erster Eintrag in eine Landkarte, Zeitpunkt als Kriegsschauplatz, erste Besiedelung, ob und wann ein Schiff gestrandet ist, et cetera. Diese Daten werden nun in das wohl prägenste Merkmal des Buches integriert. Nämlich der Beschreibung der Insel. Unter den bereits erwähnten Angaben auf der linken Buchseite findet sich in der unteren Hälfte eine Kurzgeschichte zu jeder Insel, in welcher diese und ihre Geschichte näher geschildert werden. Die Geschichten weisen dabei zu Beginn einen hohen Grad an Abwechslung und, trotz ihrer Kürze, einen enorme Intensität auf, sodass man immer weiterblättern möchte und stets eine weitere Insel "entdecken" will. Denn so kommt sich der Leser nämlich vor. Wie ein Entdecker! Die Variation der Erzählstile reicht dabei von bloßer Kamerafahrt über die Insel, über die Perspektive eines herumfliegenden Vogels, bis hin zu der Schilderung von Personen. Die Autorin versteht es, die Leser auf diese Inseln mitzunehmen und sich kurz wie Robinson Crusoe zu fühlen. Hier folgt trotzdem wieder ein "leider", denn bei 50 Inseln wiederholen sich die Grundrisse dieser Kurzgeschichten allmählich und es kommt bedingte Langeweile auf. Daher empfiehle ich, diesen Atlas nicht in einem durchzulesen, sondern Stück für Stück immer nur einen Ozean pro alle zwei Wochen abzuarbeiten.

Ein literarisches Meisterwerk ist der Atlas der abgelegenen Inseln nun nicht geworden, aber die Idee, ein Nachschlagewerk dieser Art mit solchen Kurzgeschichten zu versehen, ist immens zu befürworten und verleiht dem Buch etwas Einzigartiges. Wer gerade Lust hat, aus dem tristen Wohnzimmeralltag auszubrechen, dafür aber weder Geld, noch Zeit opfern will, kann sich diesen Atlas gerne für eine halbe Stunde zu Gemüte führen und sich von der Autorin auf einen kleinen Kurzurlaub in die Fantasie mitnehmen lassen. Denn dies zu tun versteht sie allemal.

santi

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