10. Mai 2012

Syberia 2

Vergangenen Sommer kam ich in den Genuss, das Spiel Syberia zu entdecken und prompt durchzuspielen. Syberia ist ein klassisches Point-and-Click Abenteuer, welches mit immens starker Handlung und gelunger Atmosphäre besticht. Es ist also nicht verwunderlich, dass ich mich auf den zweiten Teil sehr freute. Dieser wurde zwar schon vor acht Jahren (2004) veröffentlicht, aber leider kam ich seit Teil 1 nicht dazu, diesen zu zocken. Nun habe ich mir endlich die Zeit dafür genommen und kann stolz behaupten, ... dass ich sehr enttäuscht bin...





Nachdem der erste Teil bei mir enorm gepunktet hat, waren meine Erwartungen an die Fortsetzung dementsprechend hoch. Zu schade, dass diese nicht eingehalten wurden. Nur wo beginne ich nun mit meinem Kritikmassaker? Viele Sachen wären nämlich viel einfacher zu erklären, wenn ihr, liebe Leser_innen, den ersten Teil ebenfalls einmal gespielt haben solltet. Da ich mich darauf aber leider nicht verlassen kann, muss ich quasi nochmals den ersten Teil kurz anschneiden, um effektive Vergleiche ziehen zu können. Da ich aber ein extrem fauler Mensch bin und keine Lust habe, mich zu wiederholen, besonders dann nicht, wenn es sich um geschriebenen Text handelt (ja, es gibt auch mündlichen Text), verweise ich ganz dezent darauf, einfach die Suchfunktion zu verwenden und nach meinem Artikel zum ersten Teil zu suchen.

Habt ihr ihn gelesen? Gut! Falls nicht: ich gebe mein Bestes, aber bitte wundert euch nicht, wenn ich in meiner Rage essentielle Dinge vergesse.
Sodala, Syberia 2 knüpft nahtlos an das offene Ende des Vorgängers an, was darin bestand, dass unsere liebe Kate Walker zusammen mit dem Erben einer Spielzeug-/Maschinenbaufabrik aufbricht, um den spielnamesgebenden Ort "Syberia" zu finden. In Teil 1 ging es darum, diesen Erben (Hans Voralberg; ohne R) zu finden, in Teil 2 geht es nun darum, diese Reise fortzuführen. Die erste Station ist ein kleines Dorf mit einem überproportional großen Kloster am Rande der sibirischen Tundra. Warum auch immer dort jemand ein Kloster baut, bleibt leider unerklärt. Und hier auch schon mein erster Kritikpunkt: in dem Dorf laufen viel zu viele Menschen rum! What the f**k?! Die Atmosphäre des ersten Teiles der Serie bestach vor allem damit, dass nie irgendwo wirklich Menschen unterwegs waren. Natürlich gab es einige Interaktionspartner, aber im Hintergrund war stets alles vereinsamt und schon fast leblos. Und jetzt rennen auf einmal in einer der entlegensten Gegenden der Welt einfach mal so Menschen rum? Ernsthaft?!

Mit solchen Ungereimheiten spart das Spiel leider nicht. Bei vielen der Rätseln habe ich tatsächlich liebendgerne eine Komplettlösung geöffnet, weil für mich die Lösungen einfach logisch nicht ersichtlich waren. Ein Beispiel: damit ein Schatten, welcher einen Hinweis auf die Lokation eines gewissen Gegenstandes gibt, an die Wand geworfen wird, müsst ihr in ein kleines Loch in der Wand ein Dia setzen. Nun müsst ihr diese provisorische Linse noch fokussieren. Praktischerweise sind vier Schalter um dieses Loch in der Wand, warum auch immer. Betätigt man diese nun in einer bestimmten Reihenfolge (was man übrigens 2mal machen muss), verkleinert sich dieses Loch und das an die gegenüberliegende Wand projezierte Bild wird schärfer. Hinweise, in welcher Reihenfolge diese Schalter gedrückt werden sollen, gibt es leider nicht. Auch ein paar andere Schalterrätsel wurden mit dem selben Muster entworfen. Dieses Trial-and-Error Prinzip findet hier leider viel zu oft Verwendung.

Aber okay, darüber kann ich hinwegsehen, gäbe es nicht viel zu viele Logikfehler. Warum brauche ich ein vierbeiniges Tier, um dieses in einem Hamsterrad laufen zu lassen, damit sich eine Art Flaschenzug aktiviert, der mir ein Tor öffnet? Kann ich nicht einfach selber dieses Hamsterrad von außen mit meinen bloßen Händen drehen? Anscheinend nicht. -_- An einer anderen Stelle gab es übrigens wieder ein von mir sehr geschätztes Farbenrätsel. Wie ihr euch denken könnt, habe ich vor Freude meinen Laptop bis zum Systemabsturz geschüttelt und gerüttelt! Farbenrätsel... pack ich mein Leben. Apropos Augensicht: einige Objekte, mit welchen man interagieren kann und auch soll, gehen in der wunderschönen Bildkulisse vollkommen unter. Vielleicht bin ich diesbezüglich auch einfach nicht aufmerksam genug. Aber dieses Farbenrätsel ist pure Diskriminierung und kann von mir nicht verziehen werden! >_<
 
Optisch schön anzusehen, läuft ihr noch fünfmal durch solche Bilder, 
bevor ihr etwas Nützliches entdeckt.

Ist man nun ganz im Norden der sibirischen Tundra angekommen, macht man sich per Schiff weiter auf den Weg zu dem Ort "Syberia". Irgendwie finde ich den Namen doch sehr ungünstig gewählt, da Verwechslungsgefahr mit der Region "Sibirien", in welcher man ganze Zeit unterwegs ist, besteht. Nach einer Weile auf See strandet man auf eisüberzogenem Land und wird fröhlich von Pinguinen empfangen. 
.... ja, Pinguine. 
.... im Norden von Sibirien. 
.... Pinguine.
.... im NORDEN von Sibirien.
Erkennt ihr, worauf ich hinaus will? Aber das Beste kommt ja gleich noch. Wartet kurz!

Erstmal noch zur Story. In Teil 1 ging es, wie vorhin bereits erwähnt, um die Auffindung von Hans Voralberg. Unterwegs traf man nun viele Leute, die ihn kannten und euch etwas über ihn erzählten. Detektivmäßig formte sich immer mehr ein Bild von diesem Gespenst, welches man ausfindig machen sollte, aber es nie wirklich gesehen oder gehört hat. Man wusste nicht einmal, ob der Typ überhaupt noch lebt! In Teil zwei wird man nun selber von einem solchen Gespenst verfolgt, da euer Arbeitgeber (bedingt durch Kate Walkers Job) euch natürlich wieder zurück nach Hause bringen will und im Zuge dessen einen echten Detektiv angeheuert hat, euch zu finden. In Cutscenes werden die Telefonate von eurem Boss mit diesem Detektiv gezeigt und wie ihr ihm quasi immer einen Schritt voraus seid. Kate Walker weiß aber nichts von diesem Detektiv, sondern nur der Spieler! Und auch dieser Aspekt stieß in mir negative Sympathie auf. Denn in Teil eins bleibt die Suche nach dem Unbekannten stets etwas Mysteriöses, ein Geheimnis, dem ich immer mehr und mehr auf die Spur komme. In Teil zwei weiß ich wiederrum immer, wer hinter mir her ist, wo diese Person ist, und ich weiß sogar, dass ich niemals mit dieser Person interagieren werde. Hier haben die Entwickler vollkommen künstliche Spannung erzeugt, welche nicht einmal spannend ist und die gesamte Atmosphäre des Spieles sogar entmystifiziert. Die immens schöne Märchenwelt aus dem Vorgänger existiert hier leider nicht mehr. Bravo, ihr habt grandios Sche**e gebaut! Oder vielleicht war es eh das, worauf die Entwickler hinauswollten. Bleibt halt nur die Frage offen, wieso.
Damit dies nicht schon genug ist, verzichtete man vollkommen auf die Weiterentwicklung der Hauptfigur, welche nun recht seelenlos ihr Dasein fristet, und baute stattdessen sogar zwei Ganoven ala Dick & Doof ein, die euch gehörig auf die Nerven gehen, mit der eigentlichen Handlung NICHTS am Hut haben und euch auf eurer Reise stets behindern. Also manche Design-Entscheidungen sind sehr fragwürdig.
Unter anderem auch, dass die Areale ausgebaut wurden. "Nun ja, das klingt ja eigentlich nicht so schlecht!", meint ihr? Doch, es ist schlecht. Denn viele dieser begehbaren Areale sind nur zum Durchlaufen da und haben keinen praktischen Nutzen. Zusammen mit dem euch verfolgendem Detektiv und dem Idioten-Duo Beavis und Butthead, hat dieser Aspekt des Designs nur eine einzige Funktion: das Spiel in die Länge zu ziehen. Generel kam es mir die ganze Zeit so vor, als sei Syberia 2 nie als eigenständiges Spiel gedacht gewesen, sondern nur ein Sammelsurium aus Ideen, welche in den ersten Teil nicht mehr eingebaut werden konnten. Dementsprechend verstehe ich auch nicht, warum das Spiel so hohe Wertungen erhalten hat.


Im Hintergrund lauern schon
die Pinguine des Todes!


Dem großen Finale näherkommend setzt man sich immer mehr von der menschlichen Zivilisation ab und schlussendlich auch von euren Verfolgern. Denn einen von diesen, Beavis bzw. Dick, lässt man auf dem Eisland bei den Pinguinen zurück. Wütend nimmt er eines der Pinguin-Eier, um es euch nachzuwerfen, und schon fallen die schwarzweißen Flatterviecher (schwarz und weiß, DAS sind tolle Farben, by the way) über den armen Kerl her, reißen ihm die Kleider vom Leib und die Cutscene endet damit, dass ihr seine Schreie hört. Denn was ihr bestimmt nicht geahnt habt, handelt sich hier offenbar um fleischfressende Pinguine! Jaaaa! Ich versprach euch doch, das Beste kommt zum Schluss! xD Fleischfressende Killerpinguine in der Arktis. Nicht schlecht, so baff war ich lange nicht mehr!

Nach dieser Lächerlichkeit erstmal kurz durchatmen. *uff*
Also, nun haben wir fleischfressende Pinguine, unlogische Rahmenbedingungen und Rätsel, auf der Stelle tretende Charaktere, künstliche Spannung, unnötige Überlänge, nervige und dumme Nebenfiguren. So schön und nachdenklich das Finale auch gedacht war, es hat einfach den Reiz verloren, dieses zu genießen, und ist leider sehr schwach ausgefallen. Das immens gute Ende von Syberia 1 erhält hier sogar einen leichten Knacks und wenn ihr im Moment nur den ersten Teil gespielt haben solltet, und euch dieser auch gefallen hat, dann belasst es bitte dabei. Denn wenn am Ende von Teil eins Kate endlich Hans findet und zusammen mit diesem ins endlose Ungewisse hinausfahrt, bleibt euch dieses Mysterium weiterhin erhalten. Dieses Mal habe ich meinen Artikel sehr emotional gehalten und mich von meiner gewohnten Seriösität abgewandt, aber ich musste meiner Enttäuschung einfach Luft machen.

santi

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